4.3.07

Rückblick: "Schwarzer Dienstag" an der Börse in Shanghai

Die gewisse Portion Häme die angesichts des Börsencrashs in Shanghai in der letzten Woche medial ausgeschüttet wurde, entbehrt nicht einer wirtschaftspolitischen Parteilichkeit zwischen Europa/Amerika auf der einen und Asien auf der anderen Seite. Die Chinesen gelten in den Augen der deutschen Medien als ungezügelte Zocker. Sie sind die Spielernaturen des Turbosozialkapitalismuses, die alles auf eine Karte setzen. Wenn der "Schwarze Dienstag" an der Wallstreet passiert wäre, wäre ein Aufschrei des Entsetzens von der Journaille zu hören gewesen. Vielleicht wäre sogar etwas Mitgefühl verbreitet worden, denn viele Amerikaner, so hätten die Medien uns Rezipienten belehrt, würden in Aktien aus Gründen ihrer Altersabsicherung investieren. In China tun das die Leute übrigens mehrheitlich auch. Allerdings mit dem Unterschied, dass die Chinesen naiver, wenn nicht sogar blauäugiger in Wirtschaftsfragen denken, weil sie ganz einfach unerfahren sind und gerade zum ersten Mal erleben, wie ihre mühsam erarbeiteten Aktiengewinne innerhalb von Stunden zerrinnen. Die Meinung der Kommentatoren, die von einer ungesunden Entwicklung in China und einer "Aktien-Blase" sprachen, die sich dort mittlerweile herausgebildet hätte, bekam man nach dem Crash häufig zu lesen.

Dabei liegen die Ursachen für den Crash in Shanghai auf amerikanischer Seite, meint der Wirtschaftsexperte Marc Faber "Süddeutschen Zeitung". Die Welt ist mittlerweile zu einem globalisierten Dorf geworden, dominiert von einigen Kapitalzentren, die über das Wohl und Wehe der internationalen Gemeinschaft entscheiden. Wer heute immer noch glaubt, dass ein Land selbstverantwortlich für den entstandenen Schaden ist, der ist noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Zu viele Faktoren beeinflussen die internationale Wirtschaftsordnung.

Inwieweit die internationalen Börsen schon verknüpft und verwoben sind, zeigt sich deutlich in den Abwärtsbewegungen von anderen Börsen (Tokio, New York, Frankfurt), die der Kurseinbruch in Shanghai mit sich brachte. Noch Tage später wurde aufmerksam registriert, wie sich die chinesische Börse entwickelt. Dabei war das nur das Vorbeben, ein Austesten der Möglichkeiten. China rüttelte in der vergangenen Woche kurz und kräftig an den Grundfesten der internationalen Finanzmärkte.

Sicher gibt Amerika als reichste Industrienation nach wie vor den Takt der Weltwirtschaft vor, aber gerade China hat im letzten Jahrzehnt gewaltig aufgeholt. So wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis die Chinesen aufgrund ihres ungeheuren Rohstoffhungers, ihrer Marktdurchdringung und Arbeitskräftereservoirs die Amerikaner vom Thron stürzen werden. Wird man dann noch für die amerikanischen Aktienbesitzer Mitleid empfinden, wenn die chinesische Volkswirtschaft den weiteren Verlauf der Weltgeschichte für die nächsten Jahrzehnte bestimmt?

Update: Nochmaliges Durchkauen der Thematik in einem "FAZ"-Bericht. Ich gehe jetzt schlafen.

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