8.4.08

Selbstverständlich englisch

Was muss das für eine Welt sein, so begann neulich meine Kollegin, in der ein Mensch immer, überall und jederzeit einfach seine Muttersprache benutzt und andere Menschen ihn sofort verstehen und auf das Gesagte reagieren. Wie könnte man das Gefühl beschreiben, nicht nach Vokabeln zu suchen, um sich verständlich zu machen, nicht den perfekten Sitz von grammatikalischen Endungen oder Lauten überprüfen zu müssen, sondern einfach drauflos zu reden.

Ich (über-)legte mir eine schöne Replik zurecht, denn solche Gedanken hatte ich mir auch schon gemacht, aber noch nie ausgesprochen.

Es muss ein herrliches Gefühl sein. Man ist ein König, ein Souverän der Wörter, der nicht mit fremden Sprachen zu kämpfen hat. Wer Englisch spricht, erobert sich mit einem Zungenschlag die Welt. Das böse Wort vom "Sprachimperialismus", das der englischen Sprache nachgesagt wird, trifft auch in und auf Korea zu. Der eigene Wortschatz wird verdrängt. Man macht sich nicht die Mühe, eigene Wörter zu finden, sondern übernimmt einfach die Wörter aus dem Englischen. Doch wo in Deutschland ein gewisses öffentliches Bewusstsein für den allgegenwärtigen und vor allem unkritischen Umgang mit englischen Vokabeln im Alltagsdeutsch vorhanden ist, wehrt sich die koreanische Sprache viel zu wenig gegen den starken Einfluss der englischen Sprache.

Auf der anderen Seite führt dieser "Sprachimperialismus" dazu, dass sich englischsprachige Muttersprachler gar nicht erst die Mühe machen, die Landessprache zu lernen. Man wird doch verstanden. Warum sollte man sich dann mit neuen Wörtern und Ausnahmeregeln in der Grammatik abmühen, wenn man problemlos mit den Einheimischen kommunizieren kann? Im schlimmsten Falle führt das dazu, dass man als englischer Muttersprachler selbst im Ausland bei jeder Gelegenheit so tut, als gäbe es auf der Welt nur eine Sprache, die gesprochen und verstanden wird - und das ist eben Englisch. (Es ist absehbar, dass andere Sprachgruppen und Kulturen, sich diese Art von Selbstherrlichkeit nicht gefallen lassen, aber das soll nicht das Thema sein...)

Für einen englischsprachigen Muttersprachler, der dazu noch seine Sprache unterrichtet, muss diese Welt das Paradies sein. Die Studenten und Schüler hängen begierig an seinen Lippen, machen bereitwillig Hausaufgaben und absolvieren ohne Murren Test um Test. Und alles nur deshalb, weil ihnen von Kindesbeinen wie ein Mantra vorgebetet wurde, dass man Englisch lernen müsse, weil das eine Weltsprache sei, eine richtige Weltsprache, nicht so eine Sprache wie Chinesisch oder Spanisch oder Arabisch, sondern überall verstanden und gesprochen würde.

Der Punkt ist allerdings, dass der englischsprachige Teil unserer Welt das oft gar nicht als Vorteil sieht, sondern vielmehr als Belastung empfindet. So beschweren sie sich über die schlechte Aussprache und würden die Grammatik falsch anwenden. Im Alltag sei es furchtbar, zurechtzukommen, da die Leute außerhalb der Universitäten und Büroetagen kein vernünftiges Englisch gelernt haben und man sich nicht gut mit ihnen verständigen könne.

Solche "Sorgen" möchte ich haben. Stattdessen freue ich mich über die banalsten Dinge - wenn z.B. Germanistikstudenten ab und zu den richtigen Artikel vor ein Substantiv stellen.

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