26.5.08

Ganz wild

Klischee und Wirklichkeit: Koreaner sind überwiegend stille und zurückhaltende Menschen, sie kommen nicht aus sich heraus oder nur, wenn sie vorher viel Alkohol getrunken haben. Es geht auch ganz anders. Als ich nämlich am vergangenen Samstag ins Sejong Arts Center gegangen war, um guter ausländischer Musik zu lauschen, war ich ziemlich erstaunt, wie ausgelassen und frenetisch die Ureinwohner von Seoul und Umgebung feiern und jubeln können.

Am letzten Tag des diesjährigen Seoul Jazz Festivals kamen für mich persönlich gesehen die interessantesten Bands. "Nouvelle Vague" spielten vor allem Coverversionen englischer Punk- und New Wave-Bands nach. Allerdings im Bossa-Nova-Gewand oder leicht angejazzt, so dass die Originaltitel kaum zu erkennen waren. Nach der Pause kamen die Urgesteine des Soul & Acid Jazz "Incognito" (laut Ansage seit 29 Jahren zusammen) und spätestens da ging so richtig die Post im Saal ab. Sieben Instrumentalisten und drei Sänger sorgten für den richtigen Groove, wobei der Schlagzeuger und der Posaunist zum ersten Mal dabei waren, aber das hörte man nicht. Das Zusammenspiel funktionierte auch ohne vorher lange geprobt zu haben. Die Bläsergruppe gab immer schön Gas, setzte knackige Akzente und jeder der drei verbreitete auch bei den eingestreuten Soli immer wieder gute Stimmung.

Der Gitarrist und Bandleader wäre wohl besser Prediger geworden (aber dann würde es diese Band leider nicht geben), denn er hatte das Publikum gut im Griff. Er erzählte kleine Anekdoten, schaffte es, die Leute zum Tanzen und Klatschen zu animieren, machte Singübungen und verbreitete ganz einfach gute Laune.

Die Zuhörer waren dann auch alles andere als zurückhaltend. Der Saal brodelte. Die Leute standen dicht an dicht in den schmalen Gangreihen, die Hände nach oben gestreckt, klatschend, herumschlenkernd, mit den Köpfen nickend, sich gegenseitig fotografierend. So viele aufgeweckt-lächelnde Koreaner hatte ich schon lange nicht mehr gesehen. Nach knapp vier Stunden Jux und Dallerei war die Luft raus, so dass ich nicht mehr in der Lage war, die Nacht durchzumachen, um in den frühen Morgenstunden den "Eurovision Song Contest" als Livestream anzuschauen. Dazu später mehr...

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INCOGNITO: "Don't you worry 'bout a thing"



NOUVELLE VAGUE: "Eisbär"


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