5.3.07

Böse

Es schneit in Seoul und die Temperaturen liegen bei -4°C. Die weißen Flocken kommen nicht bis zur Erde, weil sich in Korea alles doppelt so schnell dreht. Das liegt nicht nur am Alkohol, sondern vor allem am dichten Verkehr. Wir haben jetzt Anfang März und ich frage mich, was erst im Sommer passieren wird.

Im Februar hatten die Koreaner Badeschlappen an den nackten Füßen, T-Shirts und kurze Hosen an, so warm war es draußen schon. Doch das ist nicht weiter bemerkenswert, denn der einsetzende Klimawandel wird die Menschheit noch jahrhundertelang beschäftigen.

Kleines soziologisches Experiment im öffentlichen Nahverkehr: Als ich heute im Bus saß, stürmte an einer Haltestelle eine Horde Schulmädchen herein und sogleich auf alle freien Sitzplätze. Alle Sitzplätze? Nein! Ich saß auf einem Doppelsitz, aber auf dem Platz an der Gangseite. Der Fensterplatz war frei und leistete erfolgreichen Widerstand gegen seine Besetzung.

Das Gesicht tief in ein Buch vergraben, registrierte ich, wie es im Gang immer enger wurde, weil sich die Leute fast auf den Füßen standen und der schlenkernde Bus dazu beitrug, dass sich die Menschen auch sonst körperlich näher kamen. Aber keiner von den Eingestiegenen machte Anstalten, sich auf den Platz neben mir zu setzen. In Berlin undenkbar. Irgendeine Omi hätte sich garantiert aufgeregt. Irgendein schmerbäuchiger Fettsack hätte seinen Hintern an meinem Buch an mir vorbeigeschoben und sich neben mich gesetzt. Irgendein Punk wäre vom hinteren Sitz über die Lehne auf den freien Platz gestiegen. Hier in Korea: Stoischer Gleichmut der Stehenden. Schade, dass ich schon nach zehn Stationen aussteigen musste.

Beim nächsten Mal breite ich mich so richtig im Bus aus: Jacke auf die hintere, Tasche auf die Sitzreihe vor mir. Mal sehen, was passiert.

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