16.11.07

Das dritte Geschlecht

In Korea, so erfährt der naive Ausländer bei der zweiten Flasche Soju, also genau dann, wenn die Grenzen zwischen erstem Beschnuppern, Vertrauen-Fassen und Anzüglichkeiten zusehends fallen, gibt es drei Geschlechter.

- "Drei Geschlechter?" höre ich mich flüsternd meinen Gesprächspartner fragen.
- "Jaja, Männer, Frauen und dann die 'Ajumas'."

Mit Ajumas sind eigentlich alle verheirateten Koreanerinnen gemeint, wobei dieser Begriff mittlerweile etwas abwertend gebraucht wird, um eine bestimmte Bevölkerungsgruppe ins Klischeehafte zu verzerren. Bis hierhin war ich noch politisch korrekt.

Ajumas sind laut persönlichen Umfragen und Erlebnissen koreanische Frauen, die das 40. Lebensjahr weit überschritten haben. Man erkennt sie an folgenden Details bzw. Verhalten:
  1. an dem Sonnenschutz (die sogenannte "Entenschnabelmütze"), den sie auf dem Kopf tragen, um sicher vor der Witterung und den Sonnenstrahlen zu sein
  2. an ihrem leicht herausfordernden Geh-Stil, der sich nicht an den Rechts-Links-Fußgänger-Konventionen eines Mitteleuropäers orientiert, sondern über die gesamte Breite eines Bürgersteigs verläuft - gefürchtet ist das rudelweise Auftreten von Ajumas, die den Verkehr entlang ganzer Straßenzüge zum Erliegen bringen können
  3. am Schubsen, Vordrängeln und dem Suchen von Körperkontakt insbesondere an den Türen der U-Bahnen
  4. an der bunten Kleidung, vorzugsweise schreiend-bunte Polyesterblusen kombiniert mit pinkfarbenen Windjacken und geblümten Tüchern oder Schals
  5. an den Pudelfrisuren, die kurz und drahtig vom Kopf abstehen und Volumen vortäuschen, wo doch die einstige Haarpracht längst, ach oh ach, verwelkt ist, übrigens gut auf englisch zusammengefasst in diesem Artikel
  6. an ihrer enormen Stimmkraft und dem einprogrammierten Verhalten, dass alles in der Umgebung lauthals kommentiert, belacht und kommentiert, belacht und kommentiert, belacht und kommentiert werden muss.
Was man als Ausländer bei der Begegnung mit Ajumas tun sollte: unbedingt Fotos von diesen Damen machen! Denn das dritte Geschlecht gibt es nur in Korea.

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3 Comments:

At 17/11/07 00:17, Blogger Gitte said...

oh man, wie recht du hast. heute saß ich im theater und habe einer tanz-performance zugeschaut, und hinter mir saß eine... du weißt schon. koreaner lachen ja an anderen stellen als europäer, aber ajumas scheinen an anderen stellen zu lachen als koreaner. ajumas antworten auch auf rhetorische fragen. und rufen laut bravo in mein ohr. und sind dann die ersten am ausgang.

 
At 22/11/07 18:44, Blogger Unknown said...

Und auch nur Ajumas können auf so unvergleichlich geräuschvolle Weise Kaugummi kauen: zwischen den Zähnen werden klitzekleine Bläschen im Sekundentakt zum Zerplatzen gebracht - kneck, kneck, kneck, ..., kneck, ..., kneck, ..., kneck, kneck, ...

Deinen Eintrag fand ich wunderbar! Habe einen Link von unserem letzten Blogeintrag "Öffentliche Kimchi-Herstellung" hierher gelegt und kann umgekehrt dort bei der Gelegenheit mit einer Illustration der Entenschnabelmützen dienen!

(Bei der Gelegenheit die Frage: darf ich deinen Eintrag ins Esperanto übersetzen und bei uns veröffentlichen? Wir haben wahrscheinlich mehr Leser für Esperanto, und die würde ich auch gern aufklären.)

 
At 23/11/07 18:22, Blogger sca said...

Scheint ja ein beliebtes Thema zu sein, über alte Frauen herzuziehen... ;-)

@Birke: Übersetzung? Ja, gerne, wenn ich namentlich erwähnt werde. Soviel Eitelkeit muss sein.

 

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