27.2.06

Logo-Mania


Ein kurzer Rundgang durch mein neues Zuhause bringt mich zum Staunen. Nachdem ich entdeckt habe, daß auf dem Zahnputzbecher und auf der Seifenschale im Bad das Universitätslogo mit dem Tiger und die Zahl 1905 des Gründungsjahres der Universität abgedruckt sind, fange ich an, nach weiteren Gegenständen mit aufgedruckten Logos zu suchen. Und werde prompt fündig: auf Bettdecken, Kopfkissen, Handtüchern, Eingangstüren, Kleiderbügeln, Seifenschalen, Zahnputzbechern, Zahnbürstenhaltern, Tassen, Tellern und Schalen findet sich das Logo der Universität. Sieht gut aus und macht mich zum intellektuellen Teil der Elite dieses Landes. Jedenfalls komme ich mir so vor.

Nicht fündig werde ich übrigens: am Kühlschrank, auf dem Wasserkocher, dem Fernseher, den Stühlen, dem Tisch, den Schranktüren, dem Spiegel, dem Herd und den Gardinen.

Warum gibt es keine koreanischen Formel 1-Fahrer?

Weil die koreanischen Busfahrer noch nicht entdeckt haben, daß es in der Formel 1 viel mehr Geld zu verdienen gibt.

Adieu Europa

Gelandet. Am Sonnabend, eine knappe Stunde vor dem Mittag, pünktliche Landung in Seoul/Incheon. In dem summenden Bauch einer modernen Boeing lange Zeit nur gesessen und gelesen, dann gegessen, unbequem geschlafen und von den anspringenden Neonlichtern aufgeweckt worden, setzt plötzlich beim Ausstieg aus dem Flugzeug die Gewißheit ein, am anderen Ende der Welt angekommen zu sein.

Die besorgten Gesichter der Sicherheitsleute - vergessen. Die an Guantanamo Bay erinnernden Dialoge mit dem Personal ("Zeigen Sie mal Ihren Laptop her! Na, dann kommen Sie mal mit zur Sprengstoff-Spezialuntersuchung" oder "Gehen Sie bitte noch mal durch die Sicherheitsschleuse. So, ja... Hatten wir eigentlich schon Ihre Schuhe untersucht?? Nein? Dann ziehen Sie doch bitte noch einmal Ihre Schuhe aus.") - Schnee von gestern. Was jetzt zählt, ich bin nach einem vierzehnstündigem Flug auf einem anderen Erdteil.

Andrea, der gute Geist von Seoul, holt mich tatsächlich ab. Es läuft wie am Schnürchen. Der Bus steht da. Ich halte eine Fahrkarte in der Hand. Das Gepäck wird verstaut. Wir fahren los. Der erste Blick fällt auf die in Beton und Stahl gebauten Riesenskelette eines Highways der den Flughafen Incheon mit dem 50 Kilometer entfernten Seoul verbindet. Mondbasis Alpha 1. Erinnerungen an Science-Fiction-Filme werden wach. Lange, ins Nirgendwo führende Strassen aus gutem Asphalt teilen das staubige Land. Da, ein Golfplatz. Andreas Hand zeigt hinaus. Ich sehe Grabkreuze neben der Autobahn. Daneben viele mit braunen Grasbüscheln übersäte Hügel. Das muß der Golfplatz sein. Tatsächlich stehen dort Menschen auf dem Platz, in weißer Golferkleidung.

Dann ein erster Blick auf Seoul. Ein Fluß, der nach und nach immer mühsamer zwischen den hochgezogenen Mauern und Lärmschutzwällen, Brücken und Häusern auszumachen ist. Die falsche Jahreszeit, um in dieser Stadt anzukommen. Es gibt nichts, was das Auge aufheitert, was Freude bereitet. Wagenkolonnen drängen immer dichter an unserem Bus vorbei. Einzelne Häuser wachsen zu kleinen Vierteln zusammen. Wildes Bauen. Die Architektur wuchert nach allen Seiten. Plan- und ziellos reiht sich der Stein aneinander.

Wir überqueren eine lange Brücke, zu der Andrea folgende Anekdote beisteuert: Als die Brücke vor einigen Jahren kurz vor ihrer Fertigstellung stand, fiel den Architekten auf, daß sie die seitlichen Auf- und Abfahrten zu den Uferstraßen vergessen hatten. Man beließ es dabei, mit der Konsequenz, daß die einzigen beiden direkten Zugänge zur Brücke ständig vom Verkehr verstopft sind und man immer mit Staus rechnen muß.

Es gibt keine Altstadt in Seoul. Von den Japanern kaputt gemacht, zerbombt. Ein Haus gilt als alt, wenn es irgendwann in den 60er Jahren aufgebaut worden und den danach folgenden Modernisierungswellen nicht zum Opfer gefallen ist. Der verwöhnte europäische Blick des Stadtbild-Connaisseurs, der sich an den Schönheiten eines Bauwerks ergötzt, der nichts anderes als ein historisch-gewachsenes Ensemble einer Altstadt kennt, stößt hier schnell an seine Belastungsgrenze. Hier verdecken die riesigen Reklametafeln die Bausünden eines Molochs, der aus sich selbst heraus wächst, ohne nur daran zu denken zur Ruhe zu kommen. Der Prozeß des Bauens ist ein ewiger Strom in dieser Stadt, der nicht abreißt und nicht zu bändigen ist.