29.6.06

Angriff des Klonkriegers

Er ist der Mann, der niemals aufgibt. Hwang Woo Suk, vormals als Klonforscher an der Seoul National University beschäftigt und der dann durch seinen Betrug in einer Forschungsarbeit großen Schaden anrichtete, plant seine Rückkehr in den wissenschaftlichen Bereich. Mit Hilfe privater Förderer und mit vielen seiner ehemaligen Kollegen an der Seite will er sich jetzt auf Klonversuche bei Tieren konzentrieren.

Diese Haltung ist - meiner Erfahrung nach - untypisch für einen Koreaner. Als Verantwortlicher, der einen Fehler gemacht hat, hat er einen Gesichtsverlust erlitten, der ihn für die weitere Zukunft sozial und beruflich ausgrenzt. Ich habe von Fällen gehört, in denen der Manager eines großen koreanischen Konzerns sich aus dem Fenster stürzte, als bekannt wurde, daß er Firmengelder veruntreut hatte. Umso erstaunlicher ist es, daß Hwang Woo Suk sich nicht zurückzieht, sondern sich der Öffentlichkeit stellt. Vielleicht war er aber auch nur einfach zu lange im Ausland oder hier hat ein Umdenken in der Moral eingesetzt.

Zweiter? - Erster!

Einer Studie der Wirtschaftsberatung "Mercer" zufolge ist Seoul nach Moskau die zweitteuerste Stadt der Welt. Tokio, im letzten Jahr die teuerste Stadt, liegt jetzt auf Platz 3. Eine deutsche Stadt ist nicht unter den ersten 50 Städten. Die Nachricht auf deutsch gibt es z.B. hier.

Das Ergebnis dieser Studie hängt vor allem mit der Gewichtung der untersuchten Faktoren zusammen. So wurden vor allem die Miet- oder Kaufpreise von Einfamilienhäusern stärker gewichtet. Relevant ist das vor allem für Leute, die ein höheres Einkommen haben, ein für sie angemessenes Zuhause finden müssen und einen längeren Arbeitsaufenthalt im Ausland planen. Für international agierende Firmen ist es zudem interessant abzuschätzen, wie hoch die Eingliederungskosten (Umzug, Transport, Miete) für Mitarbeiter sein werden, die ins Ausland entsandt werden.

Mein persönlicher Eindruck ist jedoch vollkommen anders, da meine Lebenssituation sich grundlegend von den Prämissen der vorgelegten Untersuchung unterscheidet. Sicher sind die Mieten in Seoul und die Lebensmittelpreise in Korea höher als in Deutschland. Dagegen bezahlt man für Dienstleistungen, Transport und Gastronomie weniger. Insofern stellt diese Studie nur einen Anhaltspunkt dar, aber sie gibt keine verbindliche Auskunft darüber, wie hoch die Kosten für jeden persönlichen Einzelfall sind.

Noch eine abschließende Bemerkung: Anders als in Moskau, wo die Mietpreise auf dem Wohnungsmarkt explodierten, weil die zugezogenen Ausländer sich die teuren Innenstadtmieten leisten konnten, hat Seoul keinen vergleichbar hohen Ausländeranteil vorzuweisen, der für die hohen Mietpreise verantwortlich gemacht werden könnte. Man könnte darüber diskutieren, ob Seoul deshalb nicht die teuerste Stadt weltweit wäre, weil die Preisentwicklung nicht durch äußere Faktoren beeinflußt worden ist.

28.6.06

Was schön ist & was alles fehlt

Kaum zurück in Deutschland, fremdle ich noch ein bißchen mit der alten Heimat. Stelle Kulturvergleiche an, wo ich doch eigentlich viel zu erzählen habe über die vergangenen vier Monate. Es wird noch ein wenig dauern, sich umzugewöhnen. Und kurz darauf heißt es schon wieder, Abschied zu nehmen. Aber bis dahin ist noch etwas Zeit und ich verfasse schnell mal zwei Listen, die meine Gedanken nach der Ankunft in Deutschland skizzieren.

Liste "Was schön ist":

- Bäume, überall Bäume, Blumen, Wiesen, Sträucher und Parks
- Ruhe, wenn man morgens aufwacht und in der Großstadt sogar Vögel zwitschern hört
- Menschen, deren Sprache man versteht
- Menschen, die rechts die Treppen hochgehen und links hinunterlaufen
- Menschen, die einen nicht über den Haufen rennen
- Brot
- und überhaupt habe ich endlich wieder Ideen, was ich zum Frühstück essen kann
- Platz auf den breiten Fußwegen
- niemand starrt einen an, weil man irgendwie anders aussieht (kein Wunder bei mindestens 20% Ausländeranteil, durch die WM wohl noch mehr)
- Fußball gucken mit Tausenden von Leuten auf öffentlichen Plätzen vor riesigen Leinwänden
- Baden gehen am Lieblingssee
- alles in allem: der Sommer hier

Liste "Was alles fehlt":

- die teils sehr üppigen Kimchi-Beilagen im Restaurant und das gute Preis-Leistungs-Verhältnis, wenn man essen geht
- billige Fahrpreise im lokalen ÖPNV
- grüßende und winkende Studenten auf dem Campus
- die unaufdringliche Freundlichkeit, mit der man in Geschäften und Gaststätten behandelt wird
- jeden Tag eine neue Überraschung und das Gefühl, wieder etwas vom Wesen Koreas entdeckt und dazugelernt zu haben
- flächendeckend öffentliche Toiletten, die zudem noch kostenlos und relativ sauber sind
- Laufbänder, z.B. in den U-Bahn-Stationen, um schneller vorwärts zu kommen
- Wooooow-Rufe, wenn man begeistert oder erstaunt oder beides gleichzeitig ist
- Kekse (ach nee, die gibt es ja hier auch...)

25.6.06

Keks der Woche (25. Kalenderwoche)

Die beste koreanische Pizza, die ich bisher in Seoul gegessen habe, gibt es in einem Campus-Restaurant der Korea Universität. Um genau zu sein, ist es das einzige Restaurant, das ich kenne, das Pizza anbietet. Man hat die unglaubliche Auswahl zwischen zwei verschiedenen Arten.


Seit meiner harten Studentenzeit - ich wäre beinahe versucht zu schreiben: seit meiner harten Tiefkühlkostzeit - verfüge ich über ein solides Grundwissen bei Pizzen, was Qualität und Geschmack betrifft. Dieses Wissen könnte für die Beurteilung des "I ku dong song" von enormer Wichtigkeit sein.

Hierbei handelt es sich um einen handwerklich höchst filigran hergestellten Teig, der von einem Hauch ausgehärtetem Ketchup gekrönt wird und durch zwei schmale Streifen Käse-Imitat optisch aufgewertet wird. Bemerkenswert, wieviel Schnickschnack man auf ca. 5 Quadratzentimetern Teiggrundfläche (TGF) unterbringen kann. Geschmacklich schwankt dieses Gebäck zwischen salzig, pikant und im Abgang ist sogar eine leicht süßliche Note wahrnehmbar.

Ist das denn eigentlich noch ein Keks, fragt sich der eine oder andere Leser ganz empört? Nein, lautet die unmißverständliche Antwort und deswegen gibt es gleich mal einen saftigen Punktabzug wegen Mogelei. So nicht, liebe Kekshersteller! Ich lasse mir doch kein X für ein U vormachen. 4 von 5 Krümeln.

Bäng Bäng

Eine Million Fans auf der Berliner Fanmeile beim Achtelfinalspiel gegen Schweden. Zwei grandiose Tore von einem völlig entfesselten Poldi. Kann man das noch steigern? Wenn ich komme, schon... Nächste Woche beim Viertelfinalspiel gegen Argentinien. Ick froi ma wie irre.

21.6.06

Bäng Bäng Bäng

Hat gut getan. Warmlaufen für das Achtelfinale. Und ich wäre so gern auf der Fanmeile im Berliner Tiergarten gewesen, obwohl ich solche Menschenaufläufe eigentlich meide. Aber dieses Mal hätte ich eine Ausnahme gemacht.

20.6.06

Regennacht

Irgendwann wachst du nachts auf. Es ist die Hitze, die nicht nachläßt. Das Fenster ist weit geöffnet und du hörst die Geräusche von der Straße, die nie zur Ruhe kommt. Draußen rauscht unaufhörlich der Regen. Er macht dich taub.

Es ist die Stunde zwischen tiefster Nacht und Morgengrauen. Du wälzt dich auf deinem Bett herum. Zu müde, um aufzustehen. Zu wach, um wieder einzuschlafen. Ein Fluß von Gedanken setzt ein, der nicht zu stoppen ist und aus dem ständig neue Bilder auftauchen. Du denkst an die Orte, an denen du viele Jahre zuvor warst.

Die eine Stadt an der Ostsee. Das Meerwasser im Sommer. Jeden Tag sieht die Oberfläche anders aus. Du gehst schwimmen. Sorglose Trägheit, mit der man stundenlang in die Ferne starrt. Auf vermeintliche Bohrinseln am Horizont (und die endlosen Diskussionen darüber). Nächte am Strand. Admirals-Pils von der Tankstelle. Der kühlende Fahrtwind auf der Fahrt zurück, wenn du keine Kraft mehr hast von dem schnellen Ritt auf dem Drahtesel und trotzdem nach vorn trittst. Auf unbeleuchteten Straßen entlang, auf denen sich dann und wann ein Auto in das nächste Dorf pirscht. Immer vorwärts. Wie es sich anfühlt, durch den Regen zu fahren und dabei vollständig aufzuweichen.

Die andere Stadt an der Ostsee. Allein in der Fremde, manchmal einsam, manchmal in großen Gruppen palavernd. Nächte, in denen du an einem winzigen Hafen sitzt, nicht müde wirst beim Debattieren und seltsame Gestalten triffst. Zeit der Unschuld, in der alles möglich war. Die ewigen Wintermonate, die den Glauben an den Sommer erschüttern. Dann der Sommer und das Gefühl, daß letzten Endes sich immer alles zum Guten wendet. Das Unglück danach, wenige Wochen und Kilometer von dieser Stadt entfernt, die du verlassen hattest.

Nichts davon ist wahr. Alles davon ist passiert. Die Erinnerungen machen dich schläfrig. Wo du jetzt bist, ist gleichgültig. Der Regen rauscht. Unaufhörlich. Dein Zimmer in Seoul liegt für einen Moment an der Ostsee.

Keks der Woche (24. Kalenderwoche)

Der "Binch" gehört zur Spezies der sogenannten Schnabubbeletten. Ein fürstliches Exemplar, dessen Behausung in hellem Gelb erstrahlt und dessen Namenszug in metallic-grünen Buchstaben aufleuchtet, sobald ein Licht darauf scheint.


Die Art kommt vor allem in den mittleren Regionen der Supermarktregale vor und wartet nur darauf, sich wie von selbst in den Einkaufskorb des Konsumenten zu bewegen. Eine raffinierte Taktik! Durch seine auffällige Verpackung und das verführerische Foto (Schoko plus Keks) legt er es geradezu darauf an, vernascht zu werden.

Die runde Form hat er sich wohl evolutionsgeschichtlich vom chinesischen Yin-Yang-Symbol abgeschaut. Nie ist bislang die Einheit von Anspruch und Ästhetik in der Süßwarenindustrie perfekter hergestellt worden als bei diesem Keks. Dieser kleine hellbraune Geselle mit seinem festen Schokoladenbäuchlein läßt eine ungeahnt-ungehemmte Freßlust beim Verzehr entstehen. Kaum aus seinem Folienkleid (dafür allerdings wieder Punktabzug wegen Umweltverödung) befreit, weckt er beim Konsumenten Neugier, Begierde und unsittliche Gedanken nach mehr.

Sein Zuhause findet der "Binch" übrigens auch in einer dunkelroten Verpackung (für Romantiker). Geschmackliche Unterschiede habe ich nicht feststellen können. Hochverdiente Wertung: 4 von 5 Krümeln.

15.6.06

Bäng

Vier Uhr Anstoß. Guten Morgääähn. Aber es hat sich gelohnt. Die Spielzüge schöner als im ersten Spiel.

13.6.06

Zähl die Stunden

Das Spiel Südkorea gegen Togo werde ich mir in wenigen Stunden mit einigen Dutzend Koreanern in einem "Hof" (Kneipe) anschauen. Ich zähl schon die Stunden rückwärts. Erstaunlich viel rote T-Shirts liefen heute auf den Straßen entlang, so daß ich nicht drum herum kam, mir endlich dieses...

... zu kaufen. So lange hatte ich schon sehnsüchtige Blicke im Laden drauf geworfen. Und heute muss es einfach rot sein. Ein anderes rotes T-Shirt verkauft sich derzeit übrigens ebenfalls bestens und zwar mit einem Schriftzug, dessen Sinn sich erst nach längerem Nachdenken entschlüsselt: "Be the Reds!" (Sei die Roten. Sei=Singular, die Roten=Plural) Heißt das jetzt, daß die Südkoreaner alle ein bißchen schizophren sind?

Und dann passierte noch folgendes: Ein Student, den ich nach seinem Tipp für den Ausgang des Spiels gegen Togo gefragt hatte, sagte mir: "2:0" - "Für Korea?" - Nein, nein, für Togo!" So geht das aber nicht mit dem Patriotismus. Das üben wir gleich nochmal: "Tae-han-min-kuk!"

P.S. Ganz schön viele : in nur einem Posting.

11.6.06

Stimm! Jetzt! Ab!

Diesmal wende ich mich mit einer Bitte an euch: Schaut euch auf dem Spreeblick-Blog das extemporierte TEAMSCREAM-Video an, das ich zusammen mit einem Deutschkurs hier gedreht habe und stimmt dafür ab (auf die 5 Sternchen unter dem Video klicken). Ich bin selbst auch mit dabei und habe extra dafür den ganz allgemeinverbindlichen koreanischen Schlachtruf gelernt.

Vielen Dank im voraus für euer Voting.

Und wer will, kann hier oder bei Spreeblick in den Kommentaren dazu schreiben, warum ihm das Video gefallen hat. Kritik dürft ihr für euch behalten.

10.6.06

Keks der Woche (23. Kalenderwoche)

Die Testbögen für die Abschlußprüfungen sind fast fertig. Gleich kommt die Endkontrolle, bevor es ans Ausdrucken und Kopieren und Zusammenheften geht. Zeit für eine Kaffeepause. Ohne Kaffee, aber mit Keksen.

Der heutige Keks "Darling Cookie" trägt zwar den schönen Schriftzug "Butter & Honey" (Butter und Honig) auf der Verpackung, aber da stimmen Form und Inhalt nicht überein. Das Gemäck weist eine unverschämte millimeterdünne Klarlackschicht auf. Das ist der Honig. Über die Butter kann man gar nichts sagen, weil sie nicht existent ist. Ein absoluter Magenfüller für die ganz schlechten Zeiten, wenn alle Küchenregale leer sind.

Fazit: Nicht zum Verschenken an den persönlichen Liebling geeignet. Nicht für die Kaffeepause nach Testbögenvorbereitungen geeignet. Man kriegt schlechte Laune und denkt sich eventuell noch gemeinere Aufgaben für die Studenten aus. Und wie immer: Punktabzug wegen umweltunverträglicher Verpackung. Leider nur 2 von 5 Krümeln.

Gastbeitrag

Vor langer Zeit gelesen und heute aus dem Hinterstübchen in meinem Kopf hervorgekramt, weil es so gut zum aktuellen Tiefdruckgebiet passt:

wetterverhältnisse

von Ror Wolf

Es schneit,
dann fällt der Regen nieder,
dann schneit es, regnet es und schneit.
Dann regnet es die ganze Zeit -
es regnet,
und dann schneit es wieder.

Kann bitte jemand, der schon längere Zeit in Korea ist, in den Kommentaren schreiben, ob die Regenzeit schon begonnen hat oder nicht? Die Koreaner sagten gestern: Nein. Die Ausländer sagten: Ja. Was denn nun?

Bäng - Uups - Bäng - Bäng - Uups - Bäng

So viele Tore in einem Eröffnungsspiel. Schön anzuschauen war's.

9.6.06

Das bißchen Totschlag

Eigentlich sollte das ein fußballfreier Blog sein und lange bleiben, aber - - -
die Umstände haben sich geändert, so daß ich nicht umhin kann, auch meinen Senf dazuzugeben. Noh 3,5 Stunden bis zum Anpfiff des Eröffnungsspiels Deutschland gegen Costa Rica.

Nichts beherrscht die Medien derzeit hierzulande so sehr wie die Fußball-WM in Deutschland. Es gibt wenig andere Themen, über die die Kollegen und Studenten mit mir sprechen. Kein Laden, der nicht irgendein Fußball-Accessoire im Sortiment führt.

Dabei sind diese alle vier Jahre stattfindenden neuzeitlichen Gladiatorenkämpfe ein bißchen wie Krieg. Ich denke an die Hymnen zu Beginn, das Pathos der Kameraführung. Ich denke an die uniformierten Fans. Ich denke an die sinnlos zurückgelegten Kilometer der vielen Spieler. Diese Verschwendung von menschlicher Kraft. Ich denke an das ganze Arsenal von Tricks und Kniffen, um den Gegner zu überwinden. Ich denke an Vorwärtsbewegungen, Rückzüge. Ich denke an Manndecker, Verteidiger, Stürmer. Die Sprache ist ans Militärische angelehnt. Ich denke an die endlosen Zeitlupen stürzender Spieler. Ich denke an schmerzverzerrte Gesichter. Ich denke an Sanitäter. Spieler, die sich an ihre Schienbeine klammern, aus Angst, sie könnten abfallen. Ich denke an die hochgereckten Fäuste, wenn ein Tor fällt. Ich denke an die tobenden Ränge in den Stadien.

Ist es aber deshalb pervers sich ein Fußball-Spiel anzuschauen?

WM-Gedicht

Eröffnungstag

Herr: es ist Zeit. Das Training war sehr groß.
Leg deine Sonne auf die Spielzeituhren,
und auf den Feldern laß die Schiris los.

Befiehl den letzten Spielern fit zu sein;
gieb ihnen noch zwei ausgeruhte Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die neue Frische in das leichte Bein.

Wer jetzt kein Ticket hat, bekommt auch keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Blogartikel schreiben
und wird vor den Stadien hin und her
unruhig wandern, wenn die Bälle übers Spielfeld treiben.

Stefan "You can call me Rilke" Carl

7.6.06

Mückenstiche

Es ist mittlerweile so heiß geworden, doch kein Koreaner beklagt sich. Sie sagen: "Wart's ab, es wird noch wärmer." Aber ich werde (hoffentlich rechtzeitig) fliehen. Nach Mittelnordosteuropa. Dahin, wo es noch echte Sommergewitter gibt.

Den koreanischen Mücken entgehe ich allerdings nicht. Selbst das Fliegengitter vor dem Fenster hält die kleinen possierlichen geflügelten Viecherchen nicht davon ab, Hausfriedensbruch zu begehen, mich zu nötigen und mir das bißchen Schlaf zu rauben, den ich dringend brauche, um die heißen Tage zu überstehen.

Nachts wache ich auf und irgendeine Stelle an meiner Handinnenfläche juckt. Europäische Mücken stechen in der Nähe der Blutbahnen - meist an Hand- oder Fußgelenken. Koreanische Mücken stechen in die schwielige Hornhaut der Hände oder Füße eines Geistesarbeiters. Das tut weh, das hilfreiche AUTAN ist außer Reichweite. Aber komischerweise schmerzt es nur eine Nacht lang. Am nächsten Morgen spüre ich keinen Juckreiz mehr. Irgendetwas machen die Mücken hier anders.

1.6.06

Liebe Deutsche Post

dank Eurer ausgefeilten globalen Logistiklösungen und Eurem hohen Selbstanspruch ("der Leistungsmarke für Briefkommunikation, Dialogmarketing und effiziente Outsourcing- und Systemlösungen für das Briefgeschäft") habe ich heute ein Päckchen aus der Heimat erhalten, dessen Inhalt mir in den verbleibenden Wochen bis zu den Sommerferien viel Freude bereiten wird. Unter anderem lag ein Schoko-Osterhase darin. Endlich kann ich das Osterfest nachholen. Mit allem drum und dran, inklusive Eier auf dem Campus verstecken, usw.

Allerdings: Die gemütliche achtwöchige Laufzeit muß euch die internationale Konkurrenz (UPS, FedEx) erstmal nachmachen. Wahrscheinlich ist das gar nicht mehr zu toppen. Laut Zollerklärung wurde das Päckchen jedenfalls am 1. April 2006 aufgegeben. Nach eigenen Recherchen - ich hatte vor meiner Abreise in einer Filiale nach der durchnittlichen Laufzeit von Deutschland nach Südkorea gefragt und zwischen 10-14 Tagen als Antwort erhalten - muß ich nun feststellen, daß jedes Schiff, ja vielleicht sogar jede Postkutsche schneller gewesen wäre. Willkommen im 21. Jahrhundert, liebe Deutsche "global player" Post.

Mittlerweile verstehe ich auch, warum in Deutschland ab August Schoko-Weihnachtsmänner verkauft werden. In Deutschland mokiert sich das Feuilleton mit großer Inbrunst alljährlich über diese Unsitten. Aber mir leuchtet das jetzt ein. Es geschieht nur, damit die im Ausland ansässige Verwandt- und Bekanntschaft rechtzeitig von den Daheimgebliebenen mit Süßigkeiten auf dem Postweg versorgt werden kann. Es gibt für alles eine Erklärung.

Ach, und liebe Deutsche Post: Seid sanft zu den euch anvertrauten Produkten. Jedes Ding hat eine Seele. Das lernt man, wenn man eine Weile in Ostasien lebt, wo manche Menschen selbst Ameisen anbeten (darüber ein andermal mehr). Auch ein unschuldiges gelbes Paket hat ein Recht darauf, mit Respekt und Sorgfalt behandelt zu werden. Ich möchte keine halbaufgerissenen, notdürftig mit gelben Plastikbändern zusammengehaltenen Päckchen aus meinem Postfach holen müssen, bei denen ich nicht genau weiß, wer oder was sich alles den Inhalt angesehen hat.


So jedenfalls bitte nicht mehr. Denn sonst wird aus dem "global player" ganz schnell ein "global prayer" - der heilige Wunsch nach einer unkaputtbaren Auslieferung. Und das bitte z.z.*)

*) ziemlich zügig