31.3.08

Bestrafe mich

Viermal die Woche muss ich kurz nach 7 Uhr raus aus dem Bett. Viermal die Woche stehe ich 9 Uhr vor einem Deutschkurs. Viermal die Woche ärgere ich mich über einige Studenten, die zwischen 5 bis 30 Minuten zu spät kommen. Sie platzen meist dann herein, wenn ich etwas erkläre oder erzähle. Das ist in höchstem Maße unhöflich. Da mache ich keinen Unterschied zwischen koreanischen, deutschen oder litauischen Studenten.

Als Lehrer darfst du dir es dagegen nicht erlauben, einfach so zu spät zu kommen. Ein Student kann sich das erlauben, denn selten wird ihn der Dozent maßregeln, weil es einfach unter seinem Niveau ist. Auch ich dachte lange so. Ich wollte junge Erwachsene nicht mehr darüber belehren müssen, wie sie sich im Alltag zu benehmen haben. Warum sollte ich Fehler in der Erziehung korrigieren wollen, an denen die Eltern und Lehrer an der Schule schon gescheitert sind.

Aber seit dem Beginn des Semesters habe ich mir eine neue Strategie überlegt. Wer zu spät kommt, bekommt Hausaufgaben auf. Normalerweise gibt es in meinen Kursen keine oder kaum Hausaufgaben und die Studenten wissen das auch. Deshalb fanden es einige von ihnen sehr überraschend, als ich ihnen in den ersten Semesterwochen Kopien in die Hand drückte und meinte, dass sie mir die Zettel ordentlich ausgefüllt beim nächsten Mal zurückgeben sollten. Wer die Hausaufgaben nicht macht, wird mit einer schlechteren Note am Ende des Semesters bestraft. In einem Kurs, in dem ungefähr die Hälfte zu spät kam, stellten sich erste Erfolge ein: Die Studenten sitzen pünktlich um 9 Uhr vor mir und grinsen ziemlich schadenfroh, wenn sich doch mal jemand verspätet. Sozialer Druck innerhalb einer Gruppe kann manchmal etwas sehr Nützliches sein.

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Bonuskarten-Wahnsinn

Zehnmal das Kärtchen abstempeln lassen, einen Kaffee gratis bekommen. Es gibt kaum ein Café in Seoul, wo man nicht beim Bezahlen der Getränke gefragt wird, ob man eine Bonuskarte besitzt. Inzwischen haben wir für unseren kleinen Kiez in Anam dong, in dem es vor Cafés nur so wimmelt, ein knappes Dutzend dieser Kärtchen gesammelt. Meine Freundin hat ein extra dafür angeschafftes Etui für Visitenkarten immer parat, aus dem sie die entsprechende Karte hervorzieht.

Wer allerdings glaubt, dass es eine Universalkarte für die großen Caféhausketten wie Starbucks, Dunkin' Donuts oder Holly Coffee gibt, der irrt. Jede einzelne Filiale hat eine eigene Karte. Diese Art von Kundenbindungsprogramm kann einen wahnsinnig machen.

Mein Vorschlag: Alle Rabattsysteme abschaffen, bei denen sowieso kein Mensch mehr durchblickt, und die Preise um ein Zehntel senken. Da haben die Gäste mehr davon.

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30.3.08

Lola

Die Nominierungen für den deutschen Filmpreis 2008, die "Lola", wurden bekanntgegeben. "Kirschblüten" von Doris Dörrie wurde insgesamt sechsmal nominiert. Bei der ersten Durchsicht fiel mir auf, wie wenige der nominierten Filme ich kenne (damit meine ich, welchen Titel ich in der Vergangenheit schon mal gehört hatte). Und bei der zweiten Durchsicht überlegte ich, welche der Filme ich mir freiwillig ansehen würde. "Kirschblüten" definitiv nicht und auch sonst konnte mich nur wenig begeistern.

Interessanterweise gibt es keine Filmpreise für den besten Kurzfilm, wo die Deutschen bei den "Academy Awards" in den vergangenen Jahren ziemlich erfolgreich waren, und auch einen Nachwuchspreis vermisse ich.

"Full Metal Village" der südkoreanischen Regisseurin Cho Sung-hyung, den ich wirklich wärmstens empfehlen kann, fehlt ebenfalls in der Liste. Kann aber auch sein, dass dieser Dokumentarfilm über das Hardrockfestival im norddeutschen Wacken schon letztes Jahr in den Kinos lief.

Alle nominierten Filme für das Jahr 2008 nochmal im Überblick als PDF.

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Steven & Stephen

Lange hatte ich auf die Taschenbuchausgabe von Steven D. Levitts und Stephen J. Dubners "Freakonomics" gewartet und nachdem ich es jetzt ausgelesen habe, warte ich schon auf die nächste Veröffentlichung der beiden Autoren.

Der Buchtitel setzt sich aus den Wörtern "Freak" und "Economics" zusammen und nimmt die ungewöhnliche Betrachtung von wirtschaftswissenschaftlichen Daten vorweg. Man findet darin einige erhellende Geschichten darüber, wie Wirtschaft funktioniert. Nicht als Abfolge von trockenen Statistiken und Kurvendiagrammen, sondern als Sammelsurium von Anekdoten, die auch Leser ansprechen, die nicht BWL oder VWL studiert haben und in der Zeitung immer den Wirtschaftsteil überblättern. Mir leuchteten die Erklärungen ein, warum japanische Sumo-Ringer betrügen und die Kriminalität in Amerika in den 90er Jahren signifikant gesunken ist. Interessant ist die Antwort auf die Frage, ob Vornamen einen Einfluss auf Karriere, Finanzen und Bildung eines Menschen haben. Es macht Spaß, sich beim Lesen der Fragestellung und Einführung in die Thematik eine mögliche Lösung auszumalen. Für mich hat "Freakonomics" gezeigt, dass es sich lohnt, um die Ecke zu denken und die erstbeste Lösung nicht immer die richtige ist. Es ist ein inspirierendes Buch, dass den Leser zum Nachdenken bringt.

Ein großes Lob gebührt den beiden Autoren: Levitt hat das selten anzutreffende Talent, wissenschaftliche Fakten aus einer ganz anderen Perspektive zu betrachten und kommt dabei zu überraschenden Schlussfolgerungen. Da bleibt Kollegenschelte nicht aus. Zu unkonventionell und ungewöhnlich ist die Herangehensweise Levitts.

Einige Kritiker meinten, dass das Buch keine Struktur besitzt, keine Thesen anbietet und weder allgemeingültige Lösungen oder eine vernünftige Zusammenfassung hat. Wer das Buch als wirtschaftswissenschaftliches Lehrwerk liest, hat das Prinzip von "Freakonomics" nicht verstanden. Meiner Meinung geht es um eine neue Sicht auf bekannte Dinge. Die Daten werden in anderen Zusammenhängen behandelt. Bislang gültige Erklärungen werden hinterfragt und auf ihre Gültigkeit neu überprüft. Es ist also eher eine Sammlung von Kolumnen zu sehr unterschiedlichen Themen, die nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben.

Freakonomics war als Buch übrigens so erfolgreich, dass es seit einigen Jahren schon ein Autoren-Blog gibt.

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Was sollen nur die Leute denken

Als ich noch zur Schule ging, gab es an unserem Gymnasium eine Band mit dem schönen Namen "Die Frustration des Elches". Sie spielten Musik, zu der man nicht tanzen konnte.

Das hat zwar überhaupt nichts mit der Frage zu tun, warum ich ausweichend reagiere, wenn ein koreanischer Student mich fragt, warum ich keine Musik aus Deutschland im Unterricht spiele.

"Time-consuming" ist ein treffender Ausdruck, den ich von nun an gern zur Antwort geben werde. Gehört habe ich diese englische Wendung, als meine Freundin erklärte, dass man an einer koreanischen Highschool niemals Übungen im Unterricht machen dürfe, die "time-consuming" seien. Das stünde so festgeschrieben in der Schulordnung. Da musste ich erst einmal herzlich lachen. Denn im Prinzip kostet ja alles Zeit im Unterricht: Grammatik erklären genauso wie Wörter wiederholen genauso wie Schreibübungen genauso wie Aussprachetraining genauso wie Bilder zeigen genauso wie Gedichte aufsagen genauso wie Lieder singen genauso wie Prüfungen schreiben. Gern hätte ich erfahren, wie ein Unterricht ohne "time-consuming" abläuft, aber meine Freundin bekam die Stelle an dieser koreanischen Highschool dann doch nicht.

Zum Glück wurde ich von Koreanern noch nicht gefragt, ob ich überhaupt deutsche Musik höre oder ich irgendwas empfehlen kann. Rammstein, Grönemeyer, Silbermond, Tokio Hotel, Juli, Wir sind Helden und Nena - ich bringe es einfach nicht übers Herz, diese Künstler zu nennen, denn wir leben ja mit McD und StarB. schon in einer reichlich globalisierten Welt. Warum sollte ausgerechnet der deutsche Mainstream nach Ostasien exportiert werden, wenn ich diese Musik privat nicht höre.

Ich möchte anhand von vier Beispielen zeigen, warum die Musik, die ich privat höre, sich nicht für den Deutschunterricht eignet. (Jaaa, wenn ich in einer Freakshow unterrichten würde, wäre das alles ganz anders. Aber ich will niemanden mit dem Aussehen, der Kleidung, der Lautstärke, den Texten verstören oder gar dauerhaft verschrecken. Ich lasse also ganz bewusst andere Menschen in ihrem Glauben, dass Musik aus Deutschland langweilig und brav ist.)

The Inchtabokatables - Die Taube



Der Text geht bei den "Inchies", wie sie von ihren Fans einst liebevoll genannt wurden, schon mal gar nicht. Nicht im Unterricht, nicht zum Nachsingen und auch nicht zum Gruppentanz im Deutschkurs. Da ist Rammstein der reinste Kindergeburtstag dagegen. Außerdem hat sich die Band 2002 aufgelöst, hat also auch den Nimbus des Zeitgemäßen schon eingebüßt.

Knorkator - Weg nach unten



Nackte tätowierte Männer am Strand- geht auf gar keinen Fall! In Korea, wo die Rocklänge noch nicht einmal etwas über die Konjunktur aussagt (obwohl einige Wirtschaftswissenschaftler da gerne einen Zusammenhang deuten), weil doch die Jugendarbeitslosigkeit so hoch ist. Der Refrain ist zu düster, der "Satansgesang" (Zitat der mithörenden Freundin) bohrt sich in den Kopf und selbst die heitere Note am Ende mag den finsteren Gesamteindruck, den das Lied hinterlässt, nicht zu überdecken.

Pyranja - Im Kreis



Textausuzug: "Für die kopflosen Klopskinder kommt noch ne Extraweisheit: Es gibt nur Gelegenheiten, wenn man wirklich dabeibleibt. Hab niemanden drum gebeten, bei dem Zeug hier durchzudrehn, doch ich freu mich über jeden, der mein Shit digged und versteht."
Shit diggen, soso. Sagt man das jetzt so, wenn man jemanden lobt? Selbst ich als Berliner hatte so meine Probleme, das alles in seinem Umfang und "Tiefgang" zu verstehen. Das kann man dann wohl auch keinem Deutschlerner auf Anfängerniveau mehr zumuten. Ganz böse übrigens: Schwarzfahren! Hey, Kids, bezahlt gefälligst die Fahrscheine, wenn ihr schon die U-Bahn nehmt.

Icke & Er - Richtig Geil




Auffällig viel Musik aus Berlin hat sich hier versammelt. Bei "Icke & Er" hört man es wohl am deutlichsten - und kommt deswegen zum Deutschlernen am wenigsten in Frage. Ich will keine Koreaner hören, die "icke" und "Butze" und "urst" sagen. Da klingt das "ichiiih" und "Wohenunege" und "sääh" für mich mittlerweile sehr viel vertrauter und niedlicher.

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29.3.08

Fun Fun Fun

Zur Zeit läuft bei mir auf Heavy Rotation: www.myspass.de

Zugegeben, der Titel der Seite ist etwas albern und klingt so bemüht lustig. Scheint meiner Meinung nach auch dem großen Social-Network-Bruder entlehnt worden zu sein. Dafür ist das Angebot für jemanden wie mich, der kein deutsches Fernsehen empfangen kann, ein Leckerbissen. Ich mag "Stromberg" und "Pastewka" und neuerdings auch "Dr. Psycho", obwohl ich von der letztgenannten Serie vorher noch nie was gehört hatte. Bin wohl schon zu lange im Ausland.

Warum das Angebot noch Beta ist, ist mir allerdings schleierhaft. Die einzelnen Folgen kann man sich ohne Registrierung ganz einfach angucken.

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Korea - So geht's

Den Monty-Python-Sketch über das "Ministry of Silly Walks" sollte jedem, der schon länger darüber nachgedacht hat, wie individuelle Laufstile bei den Menschen entstehen, bekannt sein.

Koreaner gehen nicht, Koreaner bummeln. Die durchschnittliche Laufgeschwindigkeit in Seoul liegt bei ungefähr einer halben Schaufensterscheibe pro Minute. Niemanden scheint das hier zu stören, denn wenn jeder so läuft und alle so gemütlich vor sich hintrotten, gibt es auch keine Probleme. Trotzdem passiert es in einem fort, dass man von sehr kleinen älteren Damen die Handtaschen gegen das Knie gerammt bekommt. Oder man Menschentrauben ausweichen muss, die eine Gruppe bilden und sich gern an Ein- oder Ausgängen in aller Ausführlichkeit begrüßen oder verabschieden und ungerührt stehenbleiben. Rücksicht ist etwas für Leute, die es sich leisten können. Beliebt für abweichendes Gehverhalten sind im übrigen auch die Treppenaufgänge, wenn plötzlich die Gesetze des Rechts-Links-Straßenverkehrs aufgehoben sind und plötzlich die Koreaner auf der linken Seite die Treppen hinabsteigen und rechts hinaufsteigen, wo sie ansonsten auf dem Bürgersteig immer so laufen, wie man es aus Europa (von England mal abgesehen) gewohnt ist. Es gibt außerdem ein Gebäude an der Korea Universität, wo man sehr gut beobachten kann, wie sich riesige Menschenmengen verhalten, die schnell ein Gebäude verlassen bzw. betreten müssen und sich so ineinander im Treppenhaus verkeilen, dass es für einige Sekunden weder vor noch zurück geht. Eingesperrt zwischen Teenagern steht man da und wartet, dass sich die lahme junge Elite des Landes, die sich über eine gesamte Treppenstufe verteilt hat, endlich für das nachmittägliche Kaffeetrinken verabredet hat.

Ärgerlich wird dieses Verhalten der Eingeborenen für Leute aus Berlin. Berliner bummeln nicht. Berliner haben keine Zeit. Berliner haben es immer eilig. Es ist nicht dieses vorgetäuschte Beschäftigtsein, um sich andere Menschen vom Leib zu halten. Trödeln, flanieren, spazieren bedeutet Stillstand. Der Berliner hat wirklich keine Zeit. Er rennt, er schnauft, er hastet durchs Leben. Es ist für ihn eine Autobahn, kein Trampelpfad. Wenn er auf Leute trifft, die bummeln, wird er unwirsch.

Treffen nun diese beiden Spezies, der Seouler und der Berliner, aufeinander und haben den gleichen Weg vor sich, ergibt sich eine Art Ballett, denn der Koreaner versucht sich anzupassen und seine Schritte zu beschleunigen und sich nach oben zu strecken, um das Gespräch aufrechtzuerhalten, während der Deutsche kleinere Schritte macht und seine Haltung verkrümmt, um sich nach unten zu beugen und die leise gesprochenen Worte zu verstehen, die von unten zu ihm hinauf dringen. Schön ist das nicht und ich glaube, die Spätfolgen dieser anstrengenden Form des Gehens wird man erst in den nächsten Jahrzehnten erkennen. Aber es soll niemand behaupten, ich hätte auf dieses Problem nicht schon jetzt hingewiesen.

Ich habe bisher nur einen Koreaner getroffen, der mit mir Schritt halten kann. Der mehrheitliche Rest ist mir einfach zu träge.

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Nullsummenspiel

Koreanische Frauennamen, die man sich merken sollte: Shin Jeong-Ah und Yi Son Yeon.

Frau Shin ist eine 35-jährige "Professorin" für Kunstgeschichte, die mit einem angeblichen Doktortitel der amerikanischen Universität Yale und guten Beziehungen in die koreanische Politik eine Stelle an der Dongguk-Universität in Seoul bekam. 50 Millionen verlangt Dongguk von Yale nun dafür, dass sie über den akademischen Hintergrund von Frau Shin nicht hinreichend informiert wurde. Gefunden bei Spiegel Online.

Die oben an zweiter Stelle erwähnte Frau fliegt demnächst als erste Koreanerin ins All, nachdem es einige Differenzen wegen der Erstbesetzung gegeben hatte. (Der Koreaner war zwar Patriot, hatte sich aber einfach zu dumm dabei angestellt, wichtige Informationen beiseite zu schaffen. Dementsprechend sauer reagierte die russische Weltraumbehörde.) Das Abenteuer Weltraum kostet die Koreaner 25 Millionen Dollar, die sie an die russische Seite zahlen müssen. Der ganze Artikel bei Spiegel Online.

Feine Sache, denn das Geld, dass die Dongguk-Universität bei einem amerikanischen Gericht erstreitet, kommt gewissermaßen der koreanischen Weltraumforschung zu Gute. Die 50 Millionen aus Yale reichen dann auch für einen zweiten Koreaner im All.

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1.3.08

Yes, indeed

Ohne Worte.

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