29.9.06

Heimat

Auf dem wöchentlichen Weg zum großen Supermarkt mit den europäischen Lebensmitteln komme ich regelmäßig an einem Laden vorbei, auf dessen Reklametafel "ㅎㅏ이마트" steht. Das Wort ähnelt bei flüchtigem Lesen dem deutschen Begriff "Heimat". Hier handelt es sich aber um die koreanisierte Fassung des englischen Begriffs "Hi-Mart".

Man erhält in diesem Geschäft leider kein Stückchen Muttererde aus dem Vaterland, sondern elektronischen Schnickschnack. Da fiel mir irgendwie auch das hier ein.

28.9.06

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Seit einigen Wochen erzielt ein Musik-Video mit dem schlichten Titel „guitar“ von einem jungen Mann unglaubliche Einschaltquoten, äh Zugriffszahlen...


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(www.youtube.com, 28.09.2006, 22:50 Uhr)

Dieser geheimnisvolle Gitarrist hat es sogar bis in die Nachrichten geschafft - und siehe da: Es ist ein Südkoreaner!

27.9.06

Das Kaffeeautomaten-Unglück

Es beginnt damit, dass man Lust auf ein Becherchen Kaffee verspürt. Wohin führt der Weg, wenn man, vom Mittagessen gesättigt und zufrieden, in Anam dong den Campus der Korea Universität umschleicht, dabei auf der Suche nach einem Kaffeeautomaten ist, aber den bekannten Gesichtern aus dem Weg gehen will? Außerdem will man weder den allgegenwärtigen Filialen der amerikanischen Kaffeehausketten sein Geld in den Rachen werfen, noch Kaffee aus einer Blechdose inhalieren müssen.

Man sucht als Deutscher wohl immer das Authentische und dieser Gedanke der permanenten Glückssuche mit Echtheitszertifikat trifft im Kern auf die vom Aussterben bedrohten Kaffeeautomaten auf dem Campus zu, die für den sozialistisch anmutenden EVP von 100 Won einen "wönzigen Schlock" braun aufgeschäumter Brühe in ein Pappgefäß spucken, der überraschenderweise sogar recht angenehm schmeckt (immer unter der Prämisse betrachtet, dass ich kein gewohnheitsmäßiger Kaffeetrinker bin und eigentlich keine Ahnung habe vom Aroma eines vollendet veredelten Spitzenkaffees).

In einer Ausgabe der Studentenzeitschrift "Granite Tower" (Name wurde nicht verändert) wurde der Automaten-Kaffee bzw. das, was die Koreaner darunter verstehen, in den höchsten Tönen gelobt. Auch wem der Kaffee nicht schmecken sollte, wird sich über 100 Won (ca. 10 Cent) nicht besonders ärgern, denn das ist in meinen Augen keine Geldausgabe, sondern allerhöchstens als Spende zu betrachten.

Also macht man einen kurzen Abstecher zum naturwissenschaftlichen Campus, um einen dieser leuchtendroten Schränke zu suchen. Viel hat sich seit den Sommerferien auf diesem Gelände getan. Der beliebte Kaffeeautomat ist von seinem Stammplatz verschwunden. Also sucht man weiter und steht wieder draußen auf einem Platz, der so ganz anders aussieht, als man ihn in Erinnerung hatte. Dort, wo im Frühsommer noch Bagger tief im Sand wühlten, erstreckt sich eine Grünanlage. Darunter, halb versunken in der Erde, liegt der neugebaute "Hana Plaza". Man betritt, mit leicht verzerrten Mundwinkeln des typischen Koffein-Junkies auf Entzug, die Einkaufsmeile. In Form einer riesigen marmorierten Tiefgarage mit breiten Gängen, viel Glas und Stahl, laden neben Sofas und Sesseln vor allem Geschäfte die studentische Klientel zum Verweilen ein.

Der umstrittene "Tiger Plaza" auf dem universitären Hauptgelände mit Restaurants war nur der Anfang der Kommerzialisierung. Die Frage, ob und inwieweit eine Universität Geld verdienen darf, wird in Südkorea erst hinterher gestellt - nämlich dann, wenn sowieso schon alles beschlossen ist. Jetzt hat es also die Naturwissenschaftler und Ingenieure erwischt. Jedoch ist das "Tiger Plaza" mit einem "Starbucks", einem koreanisch-italienischem Restaurant, einer "Sports"-Bar und einem "Dunkin' Donut" eine Art Versuchsballon gewesen gegen die Masse von Läden und Filialen, die es im "Hana Plaza" gibt.

Doch, oh Schreck, die "Geiz-ist-geil"-Mentalität, die uns Deutschen erfolgreich durch die Werbung eingebläut wurde, hat es nicht bis Korea geschafft. Vergeblich sucht man hier einen Kaffeeautomaten zwischen all dem Glitzern, Schillern und Leuchten der Reklametafeln, bunten Lichtern und geleckten Fußböden. Hier ist kein Platz für Kaffee-Standardpreise mehr und für eine Auswahl an Sorten, die alle gleich schmecken. Gegen diesen ästhetischen Anachronismus hätten die hiesigen Laden- und Cafébesitzer wohl mit Erfolg protestiert, wenn sich jemals die Frage gestellt hätte: Kaffeeautomat oder kein Kaffeeautomat. Aber die Frage wurde wahrscheinlich gar nicht erst gestellt, weil sie von vornherein unpassend gewesen wäre.

Man darf über diese Entwicklung ruhig ein bisschen jammern und traurig sein, finde ich. Über die beunruhigende Vereinnahmung der Akademie durch das Kapital wird man sich streiten wollen müssen und auch den Satz, dass früher sowieso alles besser war, kann man ruhigen Gewissens anbringen. Über die Verteuerung des Kaffeepreises muss man sich aufregen, denn er rechtfertigt nicht die Bohne den kläglichen Geschmack. Es bleibt alles die gleiche Brühe, da helfen keine Pillen.

26.9.06

Postmoderne Boygroup

Was die vier Jungs von "Ok Go" da machen? Leider konnten sie sich nicht entscheiden, ob sie jetzt als Kollektiv "Tanzende Büroangestellte"
oder doch eher als "Pullunder-Fetischisten auf acht Laufbändern"
auftreten sollen. Egal, die Choreographie überzeugt und diese Boygroup befolgt (absichtlich?) einige Dogma-Film-Regeln.

25.9.06

Guggi

Um die Backlink-Funktion, die es neuerdings bei blogger gibt, mal auszuprobieren, folgt hier der erste Hinweis auf die neue Seite meines kursbegleitenden Weblogs für Studenten der KU - Tagebuch in Seoul: Vom Affen gebissen.

Muttersprachler mögen anschließend tief in sich gehen und weitere Redewendungen zum Thema "Affen" in den Kommentaren abgeben.

Update: Das hat funktioniert.

24.9.06

Tagebuch in Seoul

Seit einigen Monaten beschäftige ich mich mit den vielfältigen Möglichkeiten, wie man die sogenannten "Neuen Medien" in den universitären Deutschunterricht einbeziehen kann. Da ich selbst seit einem halben Jahr aktiv blogge (und bereits im Jahr 2005 ein temporär ausgerichtetes Blog führte, das mittlerweile gelöscht worden ist), war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis ich auf die Idee kam, ein Weblog für einen meiner Sprachkurse einzurichten. Die Idee ist nicht neu und es gibt wohl auch etliche (gelungene) Versuche, Blogs im bzw. neben dem Fremdsprachenunterricht einzusetzen. Mein Wunsch ist es nun, selbst so ein Projekt in Angriff zu nehmen und dabei einige Aspekte etwas genauer zu untersuchen.

In diesem Semester biete ich für fortgeschrittene Studenten einen Kurs zur "Schriftlichen Kommunikation" an. Es geht dabei um Alltagskommunikation (Brief, E-Mail), um journalistische (Nachricht, Kommentar) sowie wissenschaftliche Formen (Zusammenfassung von Texten, Techniken wissenschaftlichen Arbeitens). Den theoretischen Teil beschränke ich dabei auf ein absolutes Minimum zugunsten der freien Textproduktion.

Das Weblog dient dabei als interaktive Verlängerung des Kursangebots. Es wird Übungen, Materialien und sogenannte "Schreibanlässe" geben, über die bzw. zu denen sich die Teilnehmer schriftlich äußern sollen.

Folgende Punkte interessieren mich besonders:

  • Wie erledige ich die administrativen Aufgaben? Wie richte ich für mehrere Kursteilnehmer ein Weblog ein, indem man im Team schreiben kann? Hier erwies sich die sehr einfache und benutzerfreundliche Schnittstelle von blogger als ungemein hilfreich. Man kann von webbasierten Diensten halten, was man will - die Vorteile hierbei liegen klar auf der Hand: ständige Erreichbarkeit und Verfügbarkeit für die Textproduktion, wenig technisches Verständnis wird vorausgesetzt Abzuwarten bleibt, wie sich die weitere Verwaltung des Weblogs gestaltet. Schwachpunkte sehe ich dabei im Augenblick bei der Kommentarfunktion (Vermeidung von Spam-Einträgen) und dem Redigieren der eingesandten Texte.
  • Wie gelingt es, auf längere Sicht Inhalte zu schaffen, die die Lerner interessieren und zur Mitarbeit anregen? Die Schwierigkeit, mit der jeder Betreiber eines Blogs irgendwann einmal zu kämpfen hat, ist und bleibt nun mal die Textproduktion. Jeder, der öfter als einmal pro Woche einen längeren Text schreibt, kennt die sogenannte "Angst vor dem weißen Blatt Papier". Sehr viele Blogs starten gleich voll durch. Die Autoren schreiben in der ersten Woche jeden Tag einen langen Artikel etwas, danach jede Woche einmal eine kürzere Meldung und später einmal im Jahr einige dürre Zeilen. Das Schicksal vieler Blogs endet dann so: Sie werden nicht mehr regelmäßig gepflegt. Andererseits bringen die Autoren aber entweder nicht den Mut oder nicht die Lust auf, ihr Blog zu löschen. Bei dem Generieren von Inhalten kommt das pikante Detail hinzu, dass ich für Fremdsprachenlerner Schreibanlässe liefern möchte. Was in der Muttersprache leicht ausgedrückt werden kann, muss auf einen einfachen Kern eingeschmolzen werden. Das Spielerische, mit der ich hier auf "Seoul Power" bestimmte Themen angehen kann, wird der ständigen Frage nach der Verständlichkeit des Wortschatzes weichen müssen. Insofern verschwindet beim Abfassen meiner Texte dort das kreative Element und macht einem eher zweckrationalem sprachlichem Denken Platz, was aber vielleicht durch die Einsendungen der Studenten kompensiert werden kann, die sich selbst neue sprachliche Räume erschließen und im besten Falle eingefahrene schriftliche Strukturen des Deutschen aufbrechen. Das bleibt allerdings abzuwarten, aber diese starke Hoffnung habe ich.
  • Schließlich geht es um die Frage, inwieweit das Projekt von der studentischen Seite angenommen wird. Das allergrößte Problem sehe ich in der Überwindung von persönlichen Hemmungen, die bei jedem Lerner unterschiedlich hoch ausgeprägt sind. Das Schreiben in einer Fremdsprache birgt immer die Gefahr, sich lächerlich zu machen. Die Annahme, dass das Lernen einer Fremdsprache auch immer mit vielen Fehlern verbunden ist, wobei das sture Auswendiglernen manchmal nicht weiterhilft, sollte jedem Studenten eigentlich bekannt sein. Trotzdem stoße ich oft auf eine Mauer des Schweigens, wenn ich eigentlich Fragen oder eine Bitte um Hilfe erwarte. Das beruht in erster Linie auf der irrigen Annahme, es sei besser, gar nichts zu sagen, als einen Fehler zu machen und sich vor seinen Kommilitonen zu blamieren. Insofern soll das Weblog - Vorsicht, Metapher - eine Art Rammbock gegen diese Mauer des Schweigens sein und die Teilnehmer ermuntern, frei und ungezwungen zu formulieren. Ohne Rücksicht auf Fehler Deswegen werde ich auch andere Maßstäbe bei der Fehleranalyse und Leistungsbeurteilung (in Form der Zwischen- und Abschlußprüfung) anlegen müssen als in meinen anderen Sprachkursen.

Was ich erwarte, sind Texte, die nicht unbedingt grammatikalisch und stilistisch perfekt sind, sondern einen unverkrampften Umgang mit der Fremdsprache erkennen lassen. Wichtiger als das Ergebnis ist die Idee. Schöner als das Argument ist die Fantasie. In diesem Sinne freue ich mich auf das gerade begonnene Semester, dass viel Arbeit bringen wird und mein persönliches Wissen anwachsen lässt, was beim Einsatz "Neuer Medien" im Unterricht geht und was nicht.

Das Projekt in seiner Entstehungsphase kann seit Ende dieser Woche an dieser Stelle mitverfolgt werden. Ich würde mich freuen, wenn die eine oder der andere, die/der hier regelmäßig liest und kommentiert, sich auch mal das "Tagebuch in Seoul"-Blog zu Gemüte führt.

Kleines Frühstück

Sonntagmorgen.
"One pill a day keeps the doctor away."
Oder so ähnlich lautet doch diese alte englische Volksweisheit. Bevor mich gleich wieder besorgte E-Mails erreichen, ob ich jetzt zu Tabletten oder gar Drogen greife, stelle ich fest: Niemals! Mir geht es gut, aber der Kühlschrank ist leer. Wie gut, dass ich diese Schokoladen-Pillen im Supermarkt gefunden habe. Sie beruhigen den Magen bis zum Mittagessen und gut für die Gesundheit sind sie auch noch. (Auf die Feststellung, dass dieses oder jenes ja besonders gut für die Gesundheit sei, legt man hier im Lande der glücklichen Wellbeing-Aktivisten größten Wert. Das deutsche Bio-Marketing wirkt dagegen geradezu lächerlich.) Der Kakao-Anteil geht in Ordnung, aber für meinen Geschmack könnte es ruhig eine höherdosierte (sprich: kakaohaltigere) Variante geben, die noch eine Spur bitterer ist, liebe Produktmanager bei Lotte.

Sage noch einer, die Koreaner würden keine gute Schokolade produzieren können. Sonstiges überflüssiges Wissen zum Thema "Schokolade" auch in diesem netten NEON-Artikel.

23.9.06

Snell! Snell!

Heute habe ich die ersten gelben Blätter hier an den Bäumen gesehen. Es war ein sehr warmer Tag und der Gedanke, dass gerade jetzt Herbstanfang ist, wollte sich bei den anhaltend warmen Temperaturen nicht so recht einstellen.

Trotzdem nimmt es die bloggende Zunft sehr genau mit Daten und Ereignissen und füllt emsig die Speicher mit allerlei Schnickschnack, der in den Ohren hängen bleibt. So geschehen bei der exzellenten musikalischen Zusammenstellung im Random Friday Post. Schon der Untertitel des Audioblogs The Late Greats klingt verheißungsvoll:
"home for the greatest songs never heard".
Beim Durchhören war ich gleich mal wie so ä bissl angetan, obwohl ich nur sechs der aufgelisteten Interpreten kannte. Der angebotene Fall Mix sei an dieser Stelle (natürlich nur zu Test- und Studienzwecken) wärmstens für kühlere Tage weiterempfohlen. Wer die Lieder mag, der kaufe sich bitteschön auch die entsprechenden CDs. Die MP3-Dateien bleiben bei Audioblogs nicht sehr lange auf deren Seiten. Nach meinen Erfahrungen sind nach spätestens 1-2 Wochen die Songs wieder verschwunden.

Nr. 93

Nach den ersten sehr anstrengenden Wochen im neuen Semester kehrt für einen Moment so etwas wie Ruhe ein. Ruhe ist ein seltsames fremdgewordenes Wort, etwas, das ich in Korea in den seltensten Fällen finde.

Zum Schreiben komme ich eigentlich nur, weil seit gestern Ko Yon Chon ist. Dabei handelt es sich um die alljährlich stattfindenden Wettkämpfe zwischen der Korea und der Yonsei Universität. Das soll nicht heißen, dass dieses Ereignis so großartig ist, dass man unbedingt darüber berichten sollte*, sondern ich hatte zum ersten Mal seit Wochen einen freien Tag. So richtig mit "Bis-um-9-Uhr-Ausschlafen", "Ausgiebigst-frühstücken" und dem sehr angenehmen Gefühl "Heute-passiert-in-erster-Linie-gar-nix-und-das-ist-auch-gut-so". Am Freitag blieb die Uni nämlich geschlossen.

Doch an der nächsten Ecke lauert schon wieder die nächste Stundenvorbereitung. Damit verbunden: einsame Nächte vor dem Kopierer wie anno dunnemals Mario S., endloses Finger-Bodybuilding mit dem Heftklammer-Tacker und das Tag für Tag, das tägliche Suchen von Papieren, Büchern, CDs und CD-Playern, Stiften, technischem Krimskrams und das Lesen unfreiwillig komischer Mails der Lerner, die korrigiert werden müssen, Warten auf Fahrstühle, U-Bahnen und vor Supermarktkassen, Langsam-Sprechen-Üben und stets eine gewisse Ohnmacht verspürend, sich mit der koreanischen Sprache noch nicht weiter angefreundet zu haben...

Die Tage werden kürzer, die Arbeit ist mehr geworden. Ich begreife immer besser, warum sich immer genau die eine Hälfte Südkoreas in einem dornröschenartigen Schlaf befindet, sei es in der U-Bahn, auf der Park- oder Schulbank, während die andere Hälfte vor lauter Arbeit kaum aus den Augen gucken kann. Das Bett ist zu einem Rückzugsort geworden, den ich regelrecht heimsuche.

(*Wer mag, der kann sich Fotos der "Gegenseite" z.B. hier anschauen. Nur in der Farbe unterscheiden sich die Studenten: die "echten Koreaner" von der Korea-Universität tragen alle rote Hemdchen, ansonsten sind die dazugehörigen Rituale wie das Absingen des uni-eigenen Liedguts, militärisches Fahnenschwenken und das allgemeine Rumgehopse nahezu identisch.)

Update: Von verschiedenen Seiten erfuhr ich, dass es bei den Uni-Wettkämpfen leider nicht so friedlich abging, sondern es zu Ausschreitungen kam. Es wird doch alles sehr viel ernster genommen, als ich dachte.